|
|
|
Ich kenne es nicht
Am Frühstückstisch mit Brötchen und Kaffee, sitze ich. Das Radio dudelt
gerade Grönemeyer. Ich denke das ist Grölemeyer. Weil der so grölt.
Überhaupt mochte ich „Mensch”, seine beste CD. Seit dem belehrt der
in seinen Texten immer so.
Der Grönemeyer.
Ich esse ein Wurstbrötchen und denke darüber nach, das Radio abzustellen
oder wenigstens den Sender zu verstellen.
Dann kommt Werbung. Die Werbung ist nur selten lustig oder pfiffig.
Meistens nervend. Ich bin zu faul das Radio abzustellen und versuche
die blödsinnig bis schwachsinnige Werbung wegzuhören. Geht nicht völlig.
Da wirbt einer für das horizontale Gewerbe und ich höre genauer hin. Nein,
der lässt für Matratzen werben. Hätte mich auch gewundert denke ich und
höre weiter weg und kaue dabei versonnen auf dem Brötchen herum.
Dann ist Nachrichtenzeit. Auch nicht besser. Es geht um unseren Innenminister.
Den finde ich einfach nur krass. Das andere Wort will ich jetzt nicht sagen.
Flüchtlinge überall. Ich denke daran, wie viele Kinder es in Deutschland gibt,
wie viele Erwachsene, die mit einem Minimum auskommen müssen. Ohne Neid gegen
die Flüchtlinge. Nur, jetzt macht Schäuble plötzlich Geld locker.
Immer noch wundert man sich wegen der weltweiten Krisen und den Wanderbewegungen
der Menschen aus den Armenhäusern der Welt heraus. Und besonders jetzt, bei der
instabilen Lage. Mich wundert das nicht.
Informiert sind die armen Menschen ja auch. Immerhin haben viele meiner Kollegen
ihr altes Handy gespendet.
Für Afrika zum Beispiel.
Jetzt wollen die Afrikaner auch bessere Handys haben und kommen hier her.
Früher wurden alte Klamotten und alte Schuhe gespendet. Die Schuhe waren oft so
alt, auf denen konnten die gar nicht bis Europa wandern.
Ich kaue immer noch an dem Brötchen und die Nachrichten sind längst vorbei.
Auf dem Brötchen ist Wurst.
Plötzlich denke ich an die Werbung für die Wurst aus den glücklichen Rindern,
die auf der saftigen Wiese gestanden hatten und die leckeren Gebirgskräuter
den lieben langen Tag fraßen. Die wurden platt gemacht, ausgeweidet – ich
denke und lege das Brötchen weg – dann zerteilt, durch den Fleischwolf gejagt,
gewürzt und jetzt liegt das Tier teilweise auf meinem halb aufgegessenen Brötchen.
Ich denke an den Bericht aus dem Fernseher, in dem gezeigt wurde, dass die Kühe
in viel zu engen Ställen stehen und billigen Futter bekommen und wie dann schlecht
bezahlte Rumänen die halb verhungerten Rinder zerteilen … aufhören!
AUFHÖREN! Mein inneres Bild muss weg. Ich denke: Ich kannte das Rindvieh ja gar
nicht.
JS Dezember 2015
© Jörg Segger
|