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Die Pistole
Schimplötzky streichelte seinen göttergleichen Körper und zeigte dann mit dem Zeigefinger auf die hilflos
dreinblickende Nutte. Sein unverständlicher Wortschwall drängte die Frau völlig in die Ecke und sie begann
zu singen, was Schimplötzky erreichen wollte. Mein Blick fiel auf seine Pistole, die er lässig im Rücken im
Gürtel stecken hatte. So war er quer durch ...
Ich begann in meine Gedanken abzutauchen,
da hätte der Kriminalfilm noch viel verworrener und hektischer sein können – ich hätte mich doch nicht
mehr auf dieses Machwerk konzentrieren können!
Der Kneipennebel verhindert, dass auch nur annähernd klare Luft in die Lungen gesogen werden konnte.
Die altersschwache Musikbox wimmert die nicht ganz so alten Platten ab und Bärbel dreht sich in
versoffener Bierlaune ...
ehe sie wieder aus der Tieflage empor kamen. Die Gäste in den ersten
Reihen beobachten, soweit man das sehen kann, mit glänzenden Augen und einem Lächeln auf den
Lippen, das Treiben. Dann schlagen – sanft - sogar die Hintern der Beiden aneinander. Zum Schluss
bekommt der Alte noch einen nicht ernst gemeinten Kuss auf seine Bartstoppel.
Dann ist die Musik vorbei und die öligen Bodenbretter, die Tanzfläche, sind wieder frei.
Man betrinkt sich weiter.
Die Tür geht auf. Hilfesuchend drängt sich der Rauch durch den größer werdenden Türspalt.
Die Tür schlägt zu und der wirbelnde Rauch lässt uns einen dicken Menschen in Uniform
erkennen. Der Mensch trägt eine Polizeiuniform und wird hier als Dorfsheriff bezeichnet.
Diesen Beruf übt er schon einige Zeit aus. Manche Menschen der Gegend behaupten, dass
dieser Mensch großes ...
taugt nur zum Polizisten! Zum Bullen taugt der nur! Peter
trägt seinen Gürtel mit der Pistole heute wieder einmal lässig schräg nach unten.
Die Pistole hängt an der rechten Seite sehr tief. So kann er schneller ziehen. Ein Hauch
von Wildwest schwebt in seinem Haar. Er hat einen ...
.... ignoriert den Hilferuf.
Peter drängelt sich an die Theke. Dafür knufft ihn Blasius Freund, den er beiseite geschoben
hatte. Peter mit der Pistole ...
Freund windet sich gekonnt auf der Tanzfläche
und ihm wird mächtig von Bärbel eingeheizt. Neben der Musikbox tanzt still und einsam die
Petra Busen. Harald Holz tanzt auch – einsam – und an der anderen Seite der Musikbox. Heute
herrscht in der Bahnhofskneipe Hochstimmung. Es ist Sonntagnachmittag und normalerweise ist
es um diese Zeit nie so voll. Draußen scheint die Sonne knallhart vom Augusthimmel und lässt
anscheinend alle so durstig werden. Immer wieder kommen neue Gäste. Es ist sehr laut. Alle
rauchen sie um die Wette und schreien durcheinander. Es wird schon seit geraumer Zeit getanzt.
Bärbel Tanzbein war dafür die auslösende Person.
Peter mit der Pistole hat normalerweise schon längst genug Bier in seinem dicken Bauch.
Er trinkt weiter, weil es draußen so warm ist, und weil die Stimmung so klasse ist hier drin.
Harald Holz geht zu ihm hin und neckt ihn. Sie sind alte Schulkameraden und haben sich schon
früher gerne gestritten. Peter hatte damals natürlich nur eine Spielpistole...
... Sie trinken sich von dem gegenseitig bestellten Bier zu.
Blasius Freund will sich zwischen Peter mit der Pistole und Harald Holz drängen und schiebt und
schiebt. Dabei schüttet Peter mit der Pistole sein Bier aus und die Laune vergeht langsam. Bevor
aber alles schlimmer wird, hat Petra Busen ...
Gela Nase ist frisch gepudert und deodoriert. Wenn sie jetzt an
einen vorbeigeht, riecht man für kurze Zeit nur ihr Deodorant. Ihre Lippen sind grell rot angemalt.
Durch ihre Bluse schimmert der schwarze Büstenhalter. Sie setzt sich auf den Barhocker an der rechten
Ecke der Theke und dabei hätte jeder, wenn er hingeschaut hätte, für kurze Zeit ihren schwarzen
Schlüpfer sehen können. Dann nippt sie langsam an ihrem Glas mit dem Wodka. Es ist wie immer ein
vierfacher Wodka und heute schon der dritte. Sie beobachtet die Gäste. Alle scheinen heute nur
das Trinken im Kopf zu haben. Deshalb ist sie auch schon so lange hier. Bei so viel Auswahl an
Gästen ist sie sonst nie solange hier.
Peter mit der Pistole trinkt jetzt schon seinen dritten Schnaps und ihm wird noch wärmer.
Die Musik wird immer besser und es tanzen Blasius Freund, Bärbel Tanzbein, Petra Busen, Harald
Holz und der wiedererwachte Rentner. Sie lachen laut beim Tanzen und nehmen ungehemmten
Körperkontakt auf. Der Rentner bekommt unter Mühen seine Hand unter den prallen Rock der Petra Busen.
Der Wirt hat endlich eine neues Fass angestochen und kippt Peter mit der Pistole immer
wieder einen neuen Schnaps ein, den der von irgendwoher spendiert bekommt. Ein neuer Gast
betritt, sicher von der Musik angelockt, den Gastraum. Die Anwesenden blickten sich
hilfesuchend um, doch keiner schien ihn zu kennen. Er hieß sofort Schönschlips. Herr
Schönschlips setzte sich mit geilem Blick neben Gela Nase. Sie mochten sich sofort.
Nach nur wenigen Runden Musik mit Trinken hatten sich Gela Nase und Herr Schönschlips
verabschiedet. Da lächelten manche der anwesenden und Peter mit der Pistole war wieder
enttäuscht, weil er zurückblieb. Er tröstete sich mit einem neuen Schnaps.
Harald Holz behauptete plötzlich, das er, Peter, gestern im Dorf nicht nach dem Rechten
gesehen hätte. Das er nicht die regelmäßige Dorfdurchfahrt durchgeführt hätte. Peter mit
der Pistole stritt das lallend ab. Wie jeden Tag, Urlaubstage ausgenommen, fuhr er bei
jedem Wetter mit seinem Dienstmotorrad durch die vier Dörfer, die sein Revier darstellten.
Das war sein Zuständigkeitsbereich. Er durchfuhr die Dörfer immer zur gleichen Stunde, in
der gleichen Haltung und mit dem gleichen Motorrad. Er hatte nur wenig in den Dörfern zu tun.
Das was wirklich passierte, ...
... auf den Gehwegen mit den Fahrrädern fuhren. Manchmal half
er auch einer Rentnerin ihren alten Handwagen zu reparieren, den die Diebe, die er überführt
hatte, zerstört hatten. Peter mit der Pistole war in den letzten Jahren immer fetter geworden.
Sein Bauch passte jetzt wunderbar zum Motorrad – er konnte ihn jetzt bei den Fahrten durch die
Dörfer vom Tank abstützen lassen.
Jetzt war er nicht im Dienst. Die Dorfdurchfahrten hatte er für heute schon hinter sich und er
war wegen der Hitze hier eingekehrt. Er fühlte sich wohl. Das lag wohl auch an dem Alkohol.
Er war gestern durch die Dörfer gefahren, klar! Harald Holz stritt immer noch mit ihm. Die Tür
ging auf und Gela Nase kam wieder, setzte sich auf den Barhocker an der rechten Seite der Theke,
so dass man für kurze Zeit ihren schwarzen Schlüpfer sehen konnte und bestellte sich einen neuen
Wodka, einen vierstöckigen. Sie holte den Lippenstift und den Spiegel hervor und zog sich die
Lippen nach. Der Korridor aus Deodorant, der hinter ihr her wehte, wurde nach kurzer Zeit wieder
vom Qualm der Zigaretten erobert.
Harald Holz konnte heute Peter mit der Pistole nicht so recht ärgern! Dann änderte er seine Taktik.
Er wollte plötzlich wissen, ob die Pistole, mit der Peter immer wie ein Westernheld durch die Gegend
fuhr, wirklich echt wäre. Er streckte schon seine Hand aus, erreichte aber die Ledertasche nicht,
weil Peter mit der Pistole ihn daran hinderte. Gleichzeitig beschrieb er ihm die Waffe, ihre
verheerende Wirkung auf Lebewesen und wie viel Munition er immer bei sich hätte. Er durfte
und wollte dieses gefährliche Ding nicht ohne Not hier in der Kneipe zücken. Jetzt bettelte
Harald Holz plötzlich, diese machtverheißende, tödliche Waffe doch einmal zu Gesicht bekommen
zu dürfen. Übrigens wollten Blasius Freund, Bärbel Tanzbein, Petra Busen, der Rentner und sogar
Gela Nase diese Waffe auch sehen. „Lass mal sehen!” , forderte sie ihn süffisant auf. So
richtig wusste er nicht, was sie meinte.
Der Wirt legte den Einzug der Gladiatoren auf und Peter mit der Pistole holte diese hervor.
Sie blitzte durch den Zigarettenqualm. Kaltes Metal lag machtvoll in Peters Hand. Die Waffe
ging von Hand zu Hand und jeder war über ihr Gewicht erstaunt. Peter mit der Pistole zuckte
jedes Mal, wenn sie weiter gegeben wurde, doch konnte er es nicht verhindern. Die Waffe lief jetzt
schon zum dritten mal durch die Runde. Er begann darum zu betteln, sie wieder zu bekommen. Was alles
damit passieren könnte! Aufgeregt war er. So konnte er plötzlich nichts mehr trinken. Er rutschte
bereits auf den Knien hinter der Waffe her. Die Waffe wurde immer schneller von Hand zu Hand gegeben.
Er bettelte laut, man möge ihm seine Waffe wieder geben, bei seiner Uniform und seinem Motorrad, gebt
sie wieder. Harald Holz hatte sie....
... mit der Waffe auf die Lampe über sich und auf allerhand andere Ecken der
Decke, wobei er immer das falsche Auge zu kniff. Peter ohne Pistole flehte wieder, er bräuchte doch
diese Waffe, sonst bekommt er Ärger. Harald Holz mit der Pistole wollte, das Peter ohne Pistole ihm
seine Schuhe küsste und Peter tat das, bekam aber immer noch nicht seine Waffe wieder. Dann sollte
er eine Saalrunde spendieren, was er auch machte, aber immer noch nicht dazu führte, dass er die
Pistole bekam. Endlich heulte Peter ohne Pistole und griff um das rechte Knie von Harald Holz.
Bärbel Tanzbein zeigte sich resolut und beschimpfte endlich Harald, dass der Peters Tränenfluss
nicht mehr ertragen konnte.
Als Peter mit der Pistole schwankend die Kneipe verließ, war die Sonne nicht
mehr so heiß. Er schwankte zum Motorrad. Bevor er das Motorrad von dem Ständer
nahm, kotzte er erst einmal gezielt in die Ecke neben dem Motorrad, wobei er genau ein
weggeworfenes Kondom traf. Er wischte sich mit dem Taschentuch die Kotze vom Mund und
warf es auch auf den stinkenden Haufen.
Dann fuhr er, fast sicher und kaum schwankend, mit der alten Karre vom Bahnhof wieder
nach Hause. Peter mit der Pistole fuhr ...
© Jörg Segger
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